Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Ob dramatisch, trivial, spannend oder emotional: Erzählungen von und mit Katzen
Forumsregeln
Wir freuen uns auf eure Buchvorstellungen für, mit oder über die Katz´ und deren Dosenöffner.
Bitte beachtet aber auch hier die Urheberrechte und formuliert eure Rezensionen selber.
shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 19.03.2015 12:35

Depesche 085 Katzenschwanz II: Shirkans magische Quaste

Das Perpetuum mobile ist ein physikalisches Phänomen, über das sich Forscher schon seit ein paar Tausend Jahren das Hirn zermartern. Einmal in Schwung versetzt, läuft es ohne erneute Energiezufuhr ewig weiter – zumindest in der Theorie. Ein solches Phänomen, wenn auch ein zoologisches, ist der Schwanz unseres Blauaugenkaters Shirkan. Die daunenweiche, cremeweiße »Quaste« (O-Ton Frauchen Elke) ist, allerdings nicht ohne dauernden kräftigen Energienachschub, in perpetueller Bewegung. Statt steif und stolz wie ein Schiffsmast aufrecht zu stehen, wie Sitas fünfte Extremität das auf vorbildliche Weise demonstriert, verschlingt er sich wild, als wolle er zu einem gordischen Knoten werden, windet und krümmt sich, zuckt und peitscht ohne Unterlass.

Manchmal drängt sich mir angesichts der unermüdlichen Drehungen, Auf- und Abstriche und Schnörkel der absurde Gedanke auf, der Kater schreibe eine griechische Ausgabe des Alten Testaments mit der Schwanzspitze in die Luft.

Es ist ratsam, diesen quecksilbrigen Seismografen von Shirkans Laune, der bei freudiger Erwartung und starker Emotion zittert wie Espenlaub, nicht zu unterschätzen. Mehr als einmal hat mir der Beau als Zeichen, dass er »not amused« war, die Quastenkeule mit Schmackes quer über die Augen geprügelt. Um dies zu bewerkstelligen, sitzt das Opfer – also ich - idealerweise an einem Tisch, auf dem der Kater keulenschwingend herumspaziert.

Der Augenschlag ist nicht mehr als ein freundlicher Knuff unter Männern und wäre vollkommen harmlos – müsste man nicht anschließend drei Dutzend spinnwebenfeiner und ellenlanger Haare aus den Augen und von der Nase puhlen ...

Dass der Kater seine Quaste so häufig als halbrund gebogenen Kehrbesen hinter sich her zieht, statt sie als Standarte im Wind flattern zu lassen, scheint für seinen oftmals ein wenig ungelenken Gang verantwortlich, den ich an dieser Stelle schon mit dem des alternden John Wayne verglichen habe.

Wenn das Saphirauge allerdings will, ist seine Haltung tadellos, und der Seidenschwanz steht wie eine Eins. Leider ist das fast ohne Ausnahme nur dann der Fall, wenn er mich aus Schabernack am Bürsten hindern will. Es ist ein Spiel, das man als Blinder nicht gewinnen kann: Komme ich mit der Bürste von rechts, versperrt mir ein seidenhaariger vertikaler Schlagbaum den Weg zum Katzenrücken. Versuche ich es von der anderen Seite, hat sich der Kater rasch gedreht, und wieder kollidiere ich mit dem Barriere-Balken.

Ein paar Minuten später überflügelt Shirkans Zärtlichkeitshunger seinen Spieltrieb. Er lässt sich auf seine linke Seite plumpsen und hebt das rechte Hinterbein, damit ich mit der gesamten Hand Brust und Bauch beschmusen kann. Nach rund einer Viertelstunde feinster, abwechslungs- und einfallsreicher Liebkosungen geschieht dann, womit die Erfinder des Perpetuum mobile nicht gerechnet haben: Der Kater versinkt in glückseligen Tiefschlaf, und die Quaste wird immobil.


shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 26.03.2015 20:43

Depesche 086 Katzenschwanz III

Zääärtlich! Saaanft! Liiiebevoll! Ruuuhig, aber dennoch variaaabel! Ich gehe konzentriert zu Werke, denn ich streichle meine vollschlanke Oberkatze Sita, und die weiß sehr genau, wie sich gutes, aufmerksames Liebkosen von schlampiger, desinteressiert oder gedankenlos applizierter »Zärtlichkeit« unterscheidet. Ich fahre der felinen Persönlichkeit, die ich nicht nur liebe, sondern auch als Mitgeschöpf achte, mit sensiblen Fingerkuppen über die wohlgepolsterte Katzenbrust und den mit einem kleinen Schmalzbeutel verunzierten Bauch (Berühren streng verboten!!!), schreibe Achten und Wellenlinien, zause Haarbüschel, umkurve Wärzchen und zähle mit sanfter Stimme auf, was mir so gut an ihr gefällt, dass sie »kluuug« ist, »feiiin«, »schön« und allerlei Lobesattribute mehr.

Sita hört`s mit lautem Schnurren. Es muss ziemlich anstrengend sein, denke ich mir, den kleinen Nähmaschinen-Motor in der Kehle zu betreiben; denn wenn die große Katze atmet, stoßweise wie ein Konzert-Oboist, erzittert ihr ganzer fülliger Körper.

Doch was passiert jetzt? Eine weiche Fellhand umfasst meinen Streichelarm, umschlingt, liebkost und drückt Handgelenk und Unterarm. Ich würd`s nicht glauben, erlebte ich es nicht selber: Sita streichelt mit ihrem Schwanz zurück!

Diese schlangengleiche Beweglichkeit hätte ich Sitas achterner Ruderpinne niemals zugetraut, obwohl sie, wenn das Futter naht, zittert, als durchströmten sie hunderttausend Volt; denn im Gegensatz zu Ranis und Shirkans Ruten ragt Sitas Schwanz stets lotrecht, stabil und unbeugsam wie ein Schiffsmast gen Himmel, wenn sie steht oder geht, und es erscheint vollkommen ausgeschlossen, dass er sich je so biegen könnte wie Shirkans flatterhafte Quaste.

Nicht verschweigen will ich den Schmuck, den der viel beschäftigte Schöpfer aller Katzen Sita auf ihren Lebensweg mitgegeben hat: Eine Schwanzspitze – die diesen Namen wirklich verdient, da sich das feline Endorgan zu ihr hin stark verjüngt; zu einer Art Leuchtdiode, die weiß ist wie der Schnee des Kilimandscharo sowie einige adrette Schmuckringe ein paar Fingerbreit darunter.

Wie ich unlängst feststellen musste, nutzt Madame ihr Anhängsel auch als Trommelstock. Während ich das Pummelchen streichelte, schlug es auf dem Fußhocker schauerliche dumpfe Wirbel. Ich ärgerte mich über diesen Mangel an Andacht, bis ich verstand, was das Trommelsignal bedeutete: Danke, genug gestreichelt!

shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 08.04.2015 14:03

Depesche 087 Rani und der Waran

Ich vermisse Rani. Das wunderhübsche, kokette, feingliedrige Katzenmädchen hat sich, wie mir scheint, schon zehn Stunden oder länger nicht mehr gezeigt, und ich mache mir Gedanken. Das Grauchen gehört nicht zu den Stubentigern, die routinemäßig dann schlafen, wenn ihre Menschen am aktivsten sind; dazu ist sie viel zu neugierig und munter. Vielleicht ist sie irgendwo eingesperrt – in einem Schrank, der Speisekammer, Elkes Ankleidezimmer?

Frauchen lacht mich aus – wie immer, wenn ich mich um ein Bandenmitglied sorge.»Katzen sind nicht aus Zucker! «, doziert sie, schaut aber schließlich doch nach ihrem Goldstück. Nach einigem Suchen bringt sie die frohe Kunde mit: »Rani schläft bei ihrem Waran!«

»Wie bitte?« werden aufmerksame Leser dieses katzophilen Dienstes jetzt ausrufen – ganz besonders dann, wenn sie wissen, dass Warane große, hochbeinige Urechsen sind, Nachkömmlinge oder Verwandte der Drachen, mit denen auch für erwachsene Menschen nicht gut Kirschen essen ist, und dass sie kleine Katzen als dritte oder vierte Vorspeise ansehen.

Gemach, gemach! Ich finde es abscheulich, wenn angebliche »Tierfreunde« exotische Tiere wie Warane, Leguane oder Geckos in deutschen Wohnstuben verschmachten lassen, und deshalb ist Ranis Freund aus Holz, nach Angaben des Verkäufers aus Mahagoni.

Die Echse ist eine herrliche Schnitzerei von etwa 60 Zentimetern Länge, die ich vor rund zehn Jahren auf Bali gekauft habe. Sie trabt im Wohnzimmer dicht an der Wand entlang im Richtung Balkontür. Die nadelspitzen Drachenkrallentatzen sind des Gruselns wegen expressionistisch vergrößert, der lange Schuppenleib in Schrittwellen onduliert.

Rani fand das Mahagoni-Monster auf Anhieb sympathisch und kuschelte sich zwischen der linken Vorder- und Hintertatze der Echse ein. Hier fühlt sie sich gut aufgehoben und beschützt; denn solch einen fiesen Freund wie sie hat in der Dreierbande sonst keiner!

shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 17.04.2015 15:15

Depesche084_Sita_versucht_sich_als_Vegetarierin_P1120284.jpg


Depesche 088 Sita versucht sich als Vegetarierin

Bei den Katzen dieser Welt sind, wenn ich mich nicht sehr irre, vornehmlich zwei Trinkverfahren im Schwange: Die Züngel- und die Schöpfmethode.

Die erstere, vor allem bei kleinzüngigen Samtpfoten beliebte Trinkprozedur verläuft folgendermaßen: Der dürstende Hauskater oder Ozelot taucht seine Zungenspitze in das erquickende Nass, zieht sie blitzschnell wieder ein und fährt sie genauso blitzschnell wieder aus, wobei die Katzenlippen wie Scheibenwischerblätter den Flüssigkeitsfilm abstreifen und der Gurgel zuleiten.

Das Verfahren ist kräftezehrend – ich meine, bei unserem Grauchen Ela bis zu fünf Zungenstöße pro Sekunde ermittelt zu haben, wobei sich das Zungenspitzen zählen schwierig gestaltete, weil das heftig oszillierende Leckorgan vor meinen Augen verschwamm - langwierig und wenig ertragreich.

Ganz anders die Alternativmethode: Das trinkende Tier breitet seinen roten Waschlappen in dem Nass aus, formt in seiner Mitte eine kesselförmige Kuhle und schleudert die Zunge mitsamt dem gefüllten Sammelbehälter nach hinten in den Rachen. Ein lautes »SCHLAPP!« untermalt die Aktion.

Mein Anlass, dieses zu berichten, ist folgender: Vor ein paar Tagen wollte Elke mir eine Linsensuppe kochen. Dazu nimmt sie in der Regel ein Döschen eines bekannten urdeutschen Fertiggerichte-Herstellers und verfeinert den Inhalt mit frisch gekochten Salzkartoffeln und mundgerecht zerstückelten Frankfurter Würstchen sowie einem Schuss Essig.

Sie hatte, von der fülligen Sita scharf beobachtet, gerade die Büchse geöffnet und drehte Mieze und Dose den Rücken zu, als das Geräusch erklang, das zu schildern ich mich hier mühe – »SCHLAPP!«, »SCHLAPP!«, »SCHLAPP!«

Frauchen, das davon ausgegangen war, dass man eine Katze mit kalter Linsensuppe allein lassen darf, ohne felinen Mundraub befürchten zu müssen, fuhr herum. Tatsächlich: Sita war mit genussvoll geschlossenen Augen im Begriff, die Dose auszubaggern!

Ein Ordnungsruf (»Nein! Das ist Herrchens Abendessen!«) brachte die Schlemmerin zur Raison, aber nur vorübergehend; denn kaum hatte sich Elke abgewandt, da begann das »SCHLAPP!«, »SCHLAPP!«, »SCHLAPP!« von Neuem.

Frauchen ging die Skurrilität der Situation auf, und sie schoss, dankenswerterweise an diese Depeschen denkend, ein Belegfoto von Sita beim Maggi-Schmaus. Dann holte sie mich als Zeugen herbei. Auf dem Weg zur Küche hörten wir schon von Weitem das markante »SCHLAPP!«, »SCHLAPP!«, »SCHLAPP!«

Der Linsensuppenpegel in der Dose war um etwa zwei Zentimeter abgesunken. Aber das hinderte mich nicht daran, mir den Rest schmecken zu lassen, natürlich warm, mit frisch gekochten Salzkartoffeln, Würstchen und einem Schuss Essig. Bei einem derart ausgezeichneten Qualitätsurteil meines Vorkosters hatte ich keine Alternative!

Während ich dies schreibe, saust mir unaufhörlich ein uraltes Katzen-Comic durch die Gehirnwindungen. Der Strip entstammt einem Heft aus der Serie »Furry Freak Brothers«, das ich vor vierzig Jahren in London gekauft habe. Titelheldin ist »Fat Freddys Cat« (FFC), ein namenloses, von den Horrortrips und Komas seines Drogen völlenden Herrchens gebeuteltes Wesen, das aufgrund tagelangen Futternotstandes schon mal die Marihuana-Topfpflanzen des dicken Freddy abweidet.

Der Cartoon geht so:
Bild 1: FFC trinkt über Napf gebeugt, wahrscheinlich mittels Züngelmethode.
Bild 2: Nach längerem Gezüngel ohne Durststillwirkung platzt FFC der Kragen. Sie sieht wütend aus und scheint zu denken: »Verdammte Zeitverschwendung! Hier kann man ja glatt beim Trinken verdursten!«
Bild 3: FFC steht aufrecht, hält den Napf in hochgereckten Pfoten und kippt sich dessen Inhalt hinter die Binde.
Dabei knurrt sie: »Zum Teufel mit der traditionellen Methode!«
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.

shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 23.04.2015 20:07

Depesche085_Wenn_man_mit_Blinden_Versteck_spielt_P1100969.jpg
Depesche 089 Wenn man mit Blinden Versteck spielt ...

Ich sitze schon seit einer ganzen Weile auf dem Thron. Die Amtsgeschäfte ziehen sich in die Länge, weil das Organ, das tätig werden soll, durch meinen blindheitsbedingten Bewegungsmangel und die Einwirkung von Medikamenten arg verschnarcht (will sagen: träge) geworden ist.

Da hocke ich nun, ich armer Tor und bin, der dichterischen Vorlage haargenau entsprechend, so klug als wie zuvor. Das mag daran liegen, dass ich nicht mehr lesen kann und es nichts zu sehen gibt außer dem erbsensuppendicken dunkelgrauen Nebel, den mein noch nicht ganz totes rechtes Auge wahrnimmt.

Das, was an Geräuschen an mein Gehör dringt, habe ich die letzten zehn Minuten als Arbeitslärm einer Miezekatze in ihrer Sanddünentoilette unter dem Waschbecken abgetan. Aber da stimmt etwas nicht! Was ungefähr drei Meter direkt voraus im undurchdringlichen Nichts ertönt, dauert schon viel zu lange, um wirklich die Entleerungs-Nachsorge eines Stubentigers sein zu können. Außerdem hat das dezente Gleiten und Schaben, Kratzen und Klopfen nichts mit dem Baustellentumult eines »richtigen« Katzenscharrens gemein.

Ob mit Elke, die hinter der Wand mit dem Waschbecken schlummert, etwas nicht stimmt? Sie könnte plötzlich erkrankt und hilflos sein und versuchen, durch Kratzen an der Wand meine Aufmerksamkeit zu erregen!

Ich erhebe mich, sinke auf die Knie und rutsche wie ein Sklave im Alten Rom zum Felidenerleichterungs-Sandkasten unter dem Waschbecken. Das Katzen-Örtchen ist nicht besetzt, stelle ich durch Grabschen in leere Luft fest. Aber – Potz Blitz! - woher kommen dann die Geräusche?

Geräusche? Welche Geräusche?

Heilige Makrele, die sind verstummt – weg, ganz ohne Grund!

Zwischen Wut und Wundern schwankend gelange ich zum Waschbecken, wo ich mitten in eine feline Freuden-Fiesta gerate, die ganz plötzlich beginnt. Shirkan, unser seidenweicher Blauaugenkater, hat im Waschbecken, wer weiß wie lange und auf welch heißen Kohlen, gelegen und dem Moment entgegengefiebert, dass ich ihn in seinem Versteck entdecken würde. Und jetzt bricht all die Anspannung in hundert kleinen begeisterten Piepsern, Maus und Mähs hervor.

Ich habe den erfindungsreichen Kater zwar überhaupt nicht gesehen, aber das ist nicht sein Fehler. Ich finde es aller Ehren wert, wie er das Dilemma gemeistert hat, auf sich aufmerksam machen zu müssen, sich dabei aber nicht zu verraten.

Das eigentlich geplante Geschäft habe ich verschoben. Warum? Ganz einfach: Weil es unmöglich ist, sich die Hände zu waschen, wenn der Kater im Waschbecken kampiert ...
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.


shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 28.04.2015 00:15

Titelbild_Geisterschiff_cattalk.jpg
Liebe Depeschen-Fans,

endlich ist es soweit: Gerd Schuster veröffentlicht heute, 28.04.2015, seinen ersten großen Roman »Geisterschiff«.

Hierzu seine Autorenbeichte:
Meinen ersten Roman schrieb ich mit vierzehn. Ohne einen Gedanken daran zu vergeuden, was mich dazu trieb, Wörter aneinander zu reihen, ging ich jugendfrisch ans Werk. In den großen Ferien kochte ich mir abends ein Kännchen Kaffee, stellte den Wecker auf drei Uhr, stand auf, setzte mich an den Schreibtisch und füllte, kalten Kaffee schlürfend, Ringbuchblatt auf Ringbuchblatt.
Ich schaffte es, das Werk zu beenden. Aber »richtig« zu schreiben lernte ich erst nach Abitur und Examen (1972) während jeweils etwa fünfjähriger Gastspiele bei der Washington Post in London, der Nachrichtenagentur Reuter in Bonn und dem Umweltmagazin »natur« in München. 1989 ging ich zum »Stern«. 1995, nach 35 Jahren Abstinenz, begann ich Roman Nummer zwei, »Der Säulenheilige«, und arbeitete an ihm bis 2005. »Geisterschiff« ist Roman Nummer drei.
Schreiben war Stress, investigatives Recherchieren dagegen Lust. Fakten auszubuddeln, die die Atom- oder Tabak-Industrie vertuschen wollten, war mir alle Mühe wert.

Für Cattalk-Fans:
Spielen auch Katzen eine Rolle in diesem Werk?
Selbstverständlich! Was wäre ein Schusterbuch ohne Tiere? Rund 30mal hat Kater Admiral Nelson seinen Auftritt, der Ehrlichkeit halber spielt er allerdings nur eine klitzekleine Nebenrolle!

Wir publizieren diesmal bei Neobooks, da das Buch dann auch bei einem Autorenwettbewerb teilnehmen kann und Gerd ggf. von einem Verlag „entdeckt“ wird, was mich (und Gerd) sehr erfreuen würde! (Die neuen Erfahrungen mit Neobooks folgen gesondert ...)

Jetzt kommen Sie, liebe Schuster-Fans, ins Spiel.
Bitte besuchen Sie auf http://www.neobooks.com/werk/43274-geisterschiff.html das Buch.

Die Berechnung für die TOP 50 bei Neobooks wird wie folgt erläutert:
• Indie Bestseller: Meist gekauftes ebook nach Trendzahlen gemessen am Absatz
• Bestbewertet: Beste Bewertungen nach Sternedurchschnitt. Es werden die Bewertungen der letzten 90 Tage eingerechnet.
• Meistgeklickt: Hier entscheidet die Klickrate der letzten 90 Tage.
• Meistgelesen: Hier werden die Klicks in die Vorschau/Leseprobe des ebooks gezählt. Auch werden hier die Downloads der ebooks mitgezählt.

Die ersten Kapitel können bereits gelesen werden: http://www.neobooks.com/werk/43274-geisterschiff.html

Einen kleinen Cattalk-Erstleser-Bonus gibt es dazu: Vom 04.05.2015 bis zum 25.05.2015 kostet das Buch nur 2,99 Euro (danach 4,99 Euro).

Bei Cattalk habe ich in der Rubrik »Bücher mal ganz ohne Katze« und »Bücher« eine Besprechung des Romans eingestellt.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.

shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 30.04.2015 19:32

Depesche086_Sita_zaertlich_IMG_2402.jpg
Liebe Leserinnen und Leser,
das Cattalk-Programm zeigt mir an, dass ich keine Bilder mehr hochladen darf, da mein Kontingent vollständig ausgeschöpft ist.
Meine Entscheidung: Ich habe die Fotos zu den ersten 60 Depeschen gelöscht. Tut mir in der Seele weh, aber es geht nicht anders, wenn die aktuellen Depeschen bebildert sein sollen. Ein kleines Trostpflaster: Im Ebook sind noch alle Fotos vorhanden.


Depesche 090 Sita zärtlich

Ich werde beschmust. Es dauert einige Zeit, bis sich diese angenehme Erkenntnis durch meinen Tiefschlaf gearbeitet hat und wie ein winziges Luftbläschen in dickem Olivenöl zum Bewusstsein emporgestiegen ist. Ja, kein Zweifel, weiches Fell gleitet zärtlich über meine am rechten Bettrand ruhende Hand. Meinen noch halb betäubten Sinnen fällt auf, dass es kein mechanisches Vorüberrutschen ist, sondern dass der kuschelnde Pelz immer wieder mit Passion und Inbrunst gegen meine Haut gedrückt wird.

Endlich fällt bei mir der Groschen: Sita, die wohlbeleibte Chefin der Dreierbande, steht auf ihren langen Hinterbeinen laut schnurrend an meinem Bett und gibt meiner Hand Köpfchen, stößt mit Stirn, Gesicht und Schädeldecke immer wieder nach mir!

Warum? Ist doch klar: Madame möchte Futter. Ich rapple mich hoch und serviere die gewünschte Atzung. Einen dermaßen lieb vorgetragenen Wunsch kann ich unmöglich abschlagen!

Ich habe an dieser Stelle schon des Öfteren Sitas Intelligenz herausgestrichen. Die stets hungrige und entsprechend dralle Schönheit mit den großen grünen Augen hat verstanden, dass man bei den Dosenöffnern weitaus mehr erreicht, wenn man sich katzenfreundlich präsentiert statt hirnlos zu kratzen oder an Kleidung und Bettzeug zu zerren, wie die beiden jüngeren Bandenmitglieder das so gerne tun. Die Volksweisheit »Liebe geht durch den Magen« hat sie für sich umgewandelt in den Spruch »Liiiebe geht in den Magen«, verdeutlicht durch den Zweizeiler: Wenn ich zu Herrchen freundlich bin, ist immer was im Fressnapf drin!
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Zuletzt geändert von shirkan am 01.05.2015 15:37, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
SONJA
Admin
Beiträge: 17528
Registriert: 23.08.2005 10:18
Vorname: Sonja
Geschlecht: weiblich
Wohnort: München, Bayern
Kontaktdaten:

Re: Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon SONJA » 01.05.2015 08:37

shirkan hat geschrieben:das Cattalk-Programm zeigt mir an, dass ich keine Bilder mehr hochladen darf, da mein Kontingent vollständig ausgeschöpft ist.
Meine Entscheidung: Ich habe die Fotos zu den ersten 60 Depeschen gelöscht. Tut mir in der Seele weh, aber es geht nicht anders, wenn die aktuellen Depeschen bebildert sein sollen. Ein kleinesTrostpflaster: Im Ebook sind noch alle Fotos vorhanden

Das wäre nicht nötig gewesen :( da es sich um eine System-weite Meldung gehandelt hat - die Ursache wurde nun behoben und es sollte wieder gehen.

liebe Grüße,
Sonja
...

shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 01.05.2015 08:46

H U R R A !
Danke für die Info.
Gelöschte Bilder werden wieder hinzugefügt.

:s1941:

shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 01.05.2015 15:36

Alle Bilder wieder an Bord !
:s1946:

shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 04.05.2015 14:22

Erinnerung:

»Geisterschiff« ab heute für 2,99 Euro (statt 4,99 Euro) bei neobooks erhältlich ! Bis 25.05.2015 !!

Und auch auf anderen Plattformen wie z.B. amazon !!!

shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 07.05.2015 07:36

Depesche087_Sita_rustikal_IMG_3515.jpg
Depesche 091 Attacke aus der Finsternis

Der Boxhieb trifft mich in einer Lage, in der selbst eisenharte Faustkampf-Weltmeister nur bedingt abwehrbereit sind: Im Bett und im tiefsten Tiefschlaf. Er landet unterhalb meines rechten Schlüsselbeins auf dem Brustmuskel, entlockt mir einen unwillkürlichen kleinen Schrei und schreckt mich aus den Federn hoch. Da sitze ich also in den zerwühlten Kissen, spüre mit verwirrtem Hirn dem Aufprall der kleinen, aber harten Faust hinterher und frage mich, wer das war und was das »Attentat« bezweckte.

Im Schlafzimmer ist es stockfinster, und nicht das geringste Geräusch ist zu hören. Wunderbar! Denke ich belustigt, beste Voraussetzungen für die Ermittlungen des dummerweise blinden und am Tatort hilflosen Kommissars Schuster!

Wenn die Sinne versagen, bleibt die Logik als letzte Zuflucht Unsere kleine Rani scheidet von vornherein aus dem Kreis der Verdächtigen aus, weil ihr die nötige Kraft und Reichweite fehlen und ihre Pfötchen viel zu klein sind, um als Boxpranke her zu halten. Außerdem ist - mir sei ausnahmsweise gestattet, es solcherart auszudrücken! – ihr Herz zu rein, als dass sie einen derartigen Hinterhalt planen und ausführen könnte.

Shirkan belasten die Tatsachen, dass er ein Kraftpaket und ein Macho ist und mich jede Woche im Schnitt fünfzehn Mal aus dem Schlaf reißt, weil ihm danach ist. Rücksichtnahme ist ein Fremdwort für ihn! Er kratzt gern, hat aber noch nie geboxt, und seine Tatzen sind eigentlich nicht groß genug, um sich so anzufühlen wie die prügelnde Pranke auf meiner Brust.

Madame Sita verfügt in üppigem Maße über Power, Reichweite und die nötigen golfballdicken Tatzen, ist nach meiner Überzeugung aber viel zu gutmütig und liebevoll, um ihr Herrchen zu schlagen.

Ein undurchsichtiger Fall! Ich beginne zu ahnen, dass feline Forensik so manchen müden »Tatort« beleben könnte.

Warum, frage ich mich nach einer fruchtlosen Vernehmung Sitas, die, statt auszupacken, in einem fort schnurrt, und einigen vergeblichem Grübelrunden, muss ich überhaupt wissen, wer der Übeltäter war? Soll ich nach Ergreifung des Halunken vielleicht Katzenpopos prügeln oder Samtöhrchen lang ziehen? Eine Schnapsidee! Wer weiß, wie viel Spaß die Katzenbande dabei hatte, den »Überfall« auf ihr riesengroßes Herrchen auszubaldowern?

Die Freude sei ihnen gegönnt, beschließe ich weise und erlasse stillschweigend eine Katzen-Generalamnestie.

PS: Im Fell des Mäuschens, das einen derartigen Hieb verpasst bekommt, möchte ich wirklich nicht stecken...
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.

shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 14.05.2015 13:45

Depesche 092 Wenn der Kater zweimal jubelt ...

Sagt Ihnen die Liedzeile »Wa-wa-wi-wi-wi-wi-wi-wi-wi!« etwas, mit größter Inbrunst und im hellsten Diskant gesungen?

Nein, das war nicht der Schlachtruf der letzten Komantschen, die noch nicht mit Whisky, Fernsehen und eimergroßen Trinkbechern Coca Cola in Berührung gekommen waren; das war – Richtig! – einer der durch Schlagsahne induzierten Verzückungsschreie unseres Katers Shirkan.

Zusammen mit der Hoch-Zeit des Zwetschenkuchens auf Hefeteig ist nun leider auch die Saison der Jubeleruptionen des Katzen-Beaus zu Ende gegangen. Kein Kuchen, keine Schlagsahne, kein Entzückensrausch – so lautet die simple, aber grausame Formel.

Immerhin war es mir vergönnt, der Stimme aus Shirkans überquellendem Katzenherz vier Mal im O-Ton zu lauschen. Da konnte ich nicht wirklich verlangen, Ohrenzeuge auch des denkwürdigen Zweifach-Schreies zu sein. Aber Elke hat treulich berichtet, was sich zutrug.

Alles war wie immer: Frauchen präsentiert Shirkan ein Flöckchen Sprühsahne. Der taucht seine Zunge in den köstlichen Schaum, wird wie von einer elektrischen Ladung durchzuckt, öffnet das Dreiecksmäulchen bis zum Anschlag und schrillt seine Sahne-Hymne in die Welt. Gott sei Dank hat sich der weiße Sänger mittlerweile daran gewöhnt, dass das Frauchen beim Erklingen seiner Arie außer sich vor Freude beinahe vor Lachen platzt, und trollt sich nicht mehr beleidigt, weil er sich ausgelacht fühlt.

Ja, und dann geschieht das Einmalige: Shirkan wird beim zweiten Tupfer Sahne erneut von Passionen geschüttelt und lässt einen zweiten Jubelgesang erklingen!

Ab und zu verschwende ich einen Gedanken an all die ruhmreichen Koryphäen der Wissenschaft der letzten Jahrhunderte - Persönlichkeiten, deren Namen wie Donner hallen, Enzyklopädien füllen und die ihren Ruf darauf verwetteten, dass Tiere »Maschinen« seien und keiner Emotion fähig. Arme Lichter, die viel, viel blinder waren, als ich je sein werde!

shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 21.05.2015 20:21

Depesche 093 Menschlich-Tierisches und Tierisch-Menschliches Bettgeflüster

Gern erfülle ich den Wunsch der Dame, um die es hier unter anderem geht, nur ihre Initialen E. S. publik zu machen und ihren vollen Namen für mich zu behalten. Sie ist Malerin und wohnt in einer prachtvollen Zimmerflucht in einem gediegenen, ohne Rücksicht auf Kosten renovierten Jugendstilhaus im exklusiven Hamburg-Eppendorf. Meine norddeutsche Informantin wird von einer tief sitzenden Scheu vor dem raubauzigen und unverständigen Straßenpöbel geplagt und umgibt sich deshalb in den eigenen vier Wänden mit einer Art angenehmer synthetischer Öffentlichkeit, einem Team von zwei Gesellschafterinnen und einem persönlichen Referenten, die sie mit großer Sorgfalt ausgewählt hat und zu denen sie eine ungewöhnliche, in unserem Lande aber millionenfach praktizierte Beziehung pflegt.

Der junge Mann, ein Schönling Mitte 20 mit Puppengesicht, weizenblondem Bauschhaar, kornblumenblauen Augen, gutem Wuchs, und etwa 1,75 m Größe, fällt vor allem durch seinen Vornamen auf, im Hause S. die einzig legitime Anrede. Er heißt Shirkan, nach dem Vorbild einer Romanfigur aus dem viktorianischen England, wofür er seine Eltern sicher schon das eine oder andere Mal verwünscht hat.

Auffällig ist an Shirkan allenfalls noch, das er häufig singend durch die Korridore schreitet, und dass er bei dieser Gelegenheit nur traurige Lieder anstimmt – »Its all over now, Baby Blue«, »Capri, cest fini« und Ähnliches mehr. Gefragt, wo in seinem Repertoire die schönen Seiten des Daseins blieben, antwortete er, dass Melancholie die einzig wahrhaftige Emotion sei.

Als er der Marotte des Dauersingens zu Beginn seines Arbeitsverhältnisses auch zu nachtschlafender Zeit frönte, geriet er mit Frau S. aneinander. Sie nahm zwar keinen Anstoß am nächtlichen Betreten ihres Schlummergemaches, verbat sich aber den schlafstörenden Gesang. Als erste Ermahnungen nichts fruchteten, vertrieb sie den Jüngling durch ein Bombardement mit kleinen weißen Plüschbären, von denen ein halbes Dutzend das Bett mit ihr teilt.

Der Ehemann der Dame, ein in seinem Studienzimmer hinter Bücherbergen verschanzter blinder Schriftsteller, schlug sich beim nachfolgenden Disput auf die Seite des Jungmannes. Er argumentierte, der Blondschopf sei ein beachtliches Sangestalent. Er träume davon, in der Mailänder »Scala« den Rigoletto zu singen und müsse täglich seine Stimme üben.

Die Intervention des Romanciers, der in seinem Arbeitszimmer mit Tausend Büchern zusammenleben muss, die er gerne lesen würde, was ihm mangels Augenlicht aber unmöglich ist, war nicht unberechtigt. Denn der Beau verbreitet weitaus weniger Unruhe als die beiden extrovertierten Gesellschafterinnen, die ständig in Eifersüchteleien verstrickt sind.

Hier ist anzumerken, dass die Damen und der junge Herr so viel Zeit für Privates haben, weil sie von jeglicher Arbeit im Sinne einer bezahlten Beschäftigung befreit sind. So hat der persönliche Referent der Malerin in den sechs Jahren seiner Zugehörigkeit zum Haushalt S. noch kein einziges Mal einen Geschäftsbrief für seine Chefin verfasst und keinen einzigen telefonischen Termin ausgemacht. Die Tätigkeit der Gesellschafter besteht darin, präsent zu sein und das Ehepaar S. durch ihre Anwesenheit zu erfreuen. So ist es nicht ungewöhnlich, Sita, Rani oder Shirkan mitten am Tag, in der Kernzeit der Büroarbeit, auf dem Sofa zusammengerollt oder in einen Sessel gekuschelt im Tiefschlaf anzutreffen.

Dies Arrangement mag bizarr erscheinen; es sollte hier aber nicht übersehen werden, dass diese Art des Zusammenlebens bei uns ganz alltäglich ist.

Es darf niemanden überraschen, dass sich die beiden Frauenzimmer im Hause S. nicht hold sind, denn sie sind in jeder erdenklichen Hinsicht mit Ausnahme des temperamentvollen Wesens ganz und gar verschieden. Da ist einmal Frau Sita, seit über acht Jahren bei besagter Hamburgerin und deren dienstälteste Mitarbeiterin. Sie ist eine XXL-Person, sicher 1,85 m groß und, vorsichtig ausgedrückt, sehr stämmig. Trotz ihres Alters – sie muss um die 50 sein – ihres voluminösen Busens und ebenso ausgeprägten Achterstevens, ihrer männlich großen Hände und Füße, ihrer muskelbepackten Schenkel und Arme sowie einiger Speckschichten in der Körpermitte hat sie eine gewisse Attraktivität nicht verloren. Zudem bewegt sie sich mit katzenhafter Flinkheit und Eleganz.

Die großen klugen grünen Augen der erwähnten Dame, der bei Tisch nie eine Portion zu reichhaltig ist, verraten einen außerordentlichen Scharfsinn. An IQ-Punkten würde Frau Sita bei einem Intelligenztest wahrscheinlich so viele erringen wie ihre beiden Arbeitskollegen zusammen.

Und da ist Fräulein Rani, das Gegenstück zu der massiven Madame Sita. Das grazile Wesen ist Anfang 20, 1,55 m klein und 45 Kilo leicht. Die petite Schönheit geht, läuft und springt mit solch phänomenaler Eleganz und Leichtigkeit, dass man glaubt, ihre Füße berührten überhaupt nicht den Boden, sondern schwebten darüber weg.

Mir kommt der Gedanke, dass es angesichts der Wunder wirkenden Kombination von Gesundheit, Unbeschwertheit, Jugend, Tatendrang und fast unerschöpflicher Energie sehr erstaunlich wäre, wenn Rani nicht schweben würde.

Die sportliche Kindfrau mit den grün-goldenen Augen und dem samtigen kurzen schieferfarbenen Haar ist der Liebling von Frau S. In den vier Jahren, die Rani schon bei der Malerin wohnt, entstand zwischen beiden Frauen so etwas wie eine Mutter-Tochter-Beziehung. Oder sogar mehr; denn Rani verbringt so viel Zeit mit Frau S., wie das heutzutage kaum eine »echte«, leibliche Tochter tun würde.
Natürlich brachte die Zuneigung der Chefin die Eifersucht Sitas erst so richtig zum Lodern, und ich bin ziemlich sicher, dass nur ihre Klugheit diese davon abhielt, die anfänglich wirklich winzige Nebenbuhlerin hinzumeucheln.

Natürlich waren den Mitarbeitern im Hause S. Krawall, Kampf und Krieg jeder Art strikt untersagt; es ist aber sonnenklar, dass es hinter den Kulissen zu zahllosen erbitterten Scharmützeln zwischen den so ungleichen Rivalinnen kam.

Es war schwierig, diese Mutmaßungen mit Fakten abzusichern, und es bedurfte zahlreicher, zu Anfang ungeheuer zähflüssiger Gespräche mit Freunden der Familie, bis der Chronist den nötigen Überblick hatte.

Dann ergab sich folgendes Bild: Obwohl die Fetzen flogen, waren an den Duellantinnen niemals verräterische Kampfspuren zu entdecken. Nur Eingeweihten wäre aufgefallen, dass Rani wochenlang weite Bögen um Sita machte, oder dass die XXL-Dame Tage lang heiser war, weil sie zu viel gepöbelt hatte. Monate lang beschoss Sita die kleine Kollegin mit Salven von Mörderblicken – aber eben nur dann, wenn Frau S. woanders hinschaute.

Als die kleine Rani 19 und somit stärker und schneller geworden war, änderte sich aus Gründen, die wir wohl nie erfahren werden, ganz plötzlich das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten. Sita trug auf einmal Kratzer, Blutergüsse und Beulen mit sich herum. Einige davon sogar im Gesicht. Sie brauchte drei oder vier Monate, bevor sie einsah, dass Rani nicht mehr beizukommen war und dass es nichts brachte, immer wieder auszuprobieren, ob sie nicht doch noch gewinnen konnte. Es kam zwar nicht zu einem Frieden, aber wenigstens zu einem Waffenstillstand.

Nicht der Salon, sondern das grosse Bett der Hausherrin ist der soziale Brennpunkt der Wohnung. Wenn andere Leute längst schlafen, hält sie hier Hof. Obwohl Herr S. im Lager seiner Ehefrau zu seinem Leidwesen nicht mehr willkommen ist, weil er schnarcht und es so uncool ist, wie er blind umhertappt, liegt die Dame selten alleine in den Federn.

Shirkan klettert in die Lagerstatt, weil er von Frau S. gestreichelt werden möchte, desgleichen Rani. Während die beiden Hübschen um die Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit der Hausherrin buhlen – wobei der junge Mann sich von rechts heranrobbt und die schlanke Schöne von links, was den Konflikt beträchtlich anheizt – nimmt Sita am Fußende Platz und beobachtet den Rivalenstreit mit der Ruhe und Gefasstheit, die aus der Erfahrung kommt.

Und aus der Tiefenentspannung, die ihr gerade eben erstklassige Liebkosungen von halbstündiger Dauer durch Herrn S., dem blinden Schriftsteller, geschenkt haben. Der nur kurze Zeit vorher den jungen Schönling Shirkan auf identische Weise verwöhnt hatte.

Die empörten Gedanken von Ihnen, meinen geneigten Lesern, dröhnen mir in den geistigen Ohren: »Pfui!«, »Sodom und Gomorrha!«, »Bi-sexuelle Schweinerei!«

Gemach, gemach! Dem kleinen Häuflein von Depeschen-Fans, die wirklich so denken, sei gesagt, dass sie eine Verwechslungskomödie für Pornografie halten. Die große Mehrzahl der regelmäßigen Konsumenten dieser katzophilen Kolumne wird rasch erkannt haben, dass es sich bei den »Gesellschafterinnen« und dem »persönlichen Referenten« um die Mitglieder der Dreierbande handelt, denen ich menschliche Identitäten übergestülpt, deren kätzische Namen ich jedoch beibehalten habe.

Das unterstreicht die zwiespältige – um nicht zu sagen zweischneidige – Natur meines Unterfangens:
Ich wollte scheinbar alltägliche Katzenmanieren als keineswegs so alltäglich entlarven, indem ich sie Menschen aufpfropfte, musste aber darauf achten, meinen »Maskenball« nicht allzu früh aufzudecken. Deshalb war ich zu meinem Leidwesen auch gezwungen, allzu verräterische Verhaltensmuster wie etwa Schnurren unter den Tisch fallen zu lassen.

Aus exakt dem gleichen Grund habe ich auch das Thema Kuscheln ans Ende der Depesche gerückt. Die Parallelen zwischen Stubentigern und Dosenöffnern hören hier nämlich ziemlich abrupt auf: Miezen kuscheln mit ihren Menschen rein platonisch, Menschen mit ihren Menschen dagegen in der Regel nicht.

shirkan
Experte
Experte
Beiträge: 187
Registriert: 17.09.2013 21:42
Geschlecht: männlich

Depeschen von der Dreierbande von Gerd Schuster

Beitragvon shirkan » 28.05.2015 21:34

Depesche 94 Tapetum lucidum für Anfänger

Es war Zuneigung, vielleicht sogar Liebe, auf den ersten Blick. Die denkwürdige Premiere – das allererste Mal, dass sich das Herz des kleinen Nachbarssöhnchens Karl in aller Heftigkeit für ein extra-familiäres Wesen entzündete – ereignete sich an einem schönen Tag im Frühherbst des vergangenen Jahres. Von seinem „Hochsitz auf dem Arm seiner Mutter Johanna aus wurde der winzige Windelverschmutzer während einer Exkursion auf den heimischen Balkon Zeuge, wie unser weißer Katzen-Beau Shirkan kaum drei Meter entfernt mit vollendeter Grazie über das schmale Geländer unserer Veranda stolzierte.
Verzückt schrie Karl der Kleine auf – was er sagte, wird leider auf ewig unbekannt bleiben, da Karlchen noch nicht sprechen konnte – und streckte ein sehnsüchtiges Ärmchen nach dem Kater aus.

Shirkan sah hoheitsvoll über die freundliche Geste hinweg; denn die meisten Stubentiger verabscheuen Menschen-Junge, ihr grobes Grapschen und ihre ultralauten Schreie, die ein hochsensibles Katzen-Innenohr zertrümmern können.

Als Carolus Minor jedoch lernte, »Katze!« zu rufen (und einmal sogar »Katzekatzekatze!« ), ging dem Blauaugenkater auf, dass es sich bei Klein-Karl um nachwachsendes Publikum handelte, das man als Darsteller hegen und pflegen sollte.

Seitdem Karl redet und rennt, und Nachbarin Elke Johanna und ihn zum Streicheln ins Revier der Dreierbande bittet, sind Shirkan und sein jüngster Fan dicke Freunde. Der Kater liebt Johanna und ihr Söhnchen so, dass er jedes Mal, wenn er ihre Stimmen im Treppenhaus hört, unsere Wohnungstür einreißen möchte, um zu ihnen zu gelangen.

Die beiden restlichen Mitglieder der Dreierbande, Sita und Rani, haben in dieser Depesche durch Abwesenheit geglänzt. Das liegt daran, dass beiden Shirkans leidenschaftliches Interesse an neuen Bekanntschaften fehlt. Vielleicht war es für das Aufblühen der Freundschaft zwischen Karl und dem Kater nur gut, dass der Rest der Bande im Hintergrund blieb. Das zeigt ein kleiner Zwischenfall, der sich gestern ereignet hat.

Johanna und ihr Filius spielten im Korridor mit dem Kater, der an diesem Tag einen ganz besonders seidigen Pelz hatte. Plötzlich bemerkte Elke, dass die petite Rani den Schlupfwinkel, der bis dahin ihr Versteck gewesen war, verlassen hatte, mitten im dunklen Wohnzimmer saß und das Treiben auf dem Flur aufmerksam beobachtete. Ihre Augen, die das ins Zimmer fallende Licht reflektierten, leuchteten wie Autoscheinwerfer.

Die beiden mandelförmigen Glutflächen im Kopf der geisterhaft starren schwarzen Tiersilhouette waren für einen Zweijährigen wirklich starker Tobak.

Während Elke noch hoffte, das Horrorbild werde Karlchen entgehen, hatten dessen flinke Äuglein es bereits erspäht. Erschrocken sagte er „Iiiiiiiiiii!“, streckte der Gefahr ein abwehrendes Ärmchen entgegen, drehte sich um und floh zu Muttern.

Auf deren Arm, für einen Zweijährigen der sicherste Ort des Universums, konnte sich Carolus Minor sofort höchstselbst davon überzeugen, dass das Gespenst verschwunden war - wenn es je existiert hatte! Elke hatte blitzschnell das Licht im Wohnzimmer angedreht, und das beschien ein durch und durch harmloses klitzekleines graues Kätzchen, das ganz ohne Feuerblick auf dem Teppich saß.

Karl war rasch beruhigt.

Jetzt macht sich nur noch einer Sorgen: Shirkan. Weil er mit geschlossenen Augen im Genuss-Modus war, ist ihm entgangen, was seinen kleinen Freund so verschreckt hat, und er glaubt, er könne, ganz gegen seinen Willen, schuld gewesen sein. Weil er so an dem Besuch von Gegenüber hängt, wäre ihm das schrecklich.

Ich habe den Kater nach Kräften zu beruhigen versucht. Er hat alles akzeptiert und verstanden – mit Ausnahme des Tapetum lucidum.

Nun gut, dann erkläre ich eben alles noch einmal. Also denn: Tapetum lucidum ist ein mittelalterlicher anatomischer Begriff, der übersetzt „leuchtender Teppich“ bedeutet. Damit meinen die Mediziner eine Zellschicht, die sich im Auge hinter der Netzhaut spannt und Licht zurückspiegelt, das diese soeben passiert hat. Dadurch wird die Retina in die Lage versetzt, ein zweites Mal die von diesem Licht transportierten Informationen abzugreifen.

Der optische Restlichtverstärker lässt nicht nur Katzenaugen gespenstig glühen; er sorgt dafür, dass Stubentiger bei Düsternis und Dämmerung sechs- bis achtmal besser sehen als der Mensch. Der angeblichen Krone der Schöpfung fehlt nämlich der Leuchtteppich. Dafür sind viele Tiere damit ausgestattet – Katzen, Hunde, Kühe und selbst Spinnen.



Zurück zu „Romane und Krimis“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste